Laut Statistischem Bundesamt stellten die Jugendämter 2012 in Deutschland bei über 59.900 Kindern und Jugendlichen eine Kindeswohlgefährdung durch Vernachlässigung sowie psychische, körperliche und sexuelle Gewalt fest. Bei 67.700 „Fällen“ konnte sich eine Kindeswohlgefährdung zwar nicht bestätigen, jedoch ein konkreter Hilfebedarf ermittelt werden. ― Verschiedene Untersuchungen, darunter z.B. auch die bekannte und bereits 1998 veröffentlichte ACE-Studie, kommen zu dem Ergebnis, dass ein enger Zusammenhang zwischen belastenden Kindheitserlebnissen und späteren gesundheitlichen Beschwerden, wie z.B. Depressionen und anderen psychische Erkrankungen, Alkohol- und Drogenmissbrauch, Suizidversuchen, aber auch Leber-, Herz- oder Lungenerkrankungen, Krebs und Essstörungen besteht.
Vor dem Hintergrund dieser Forschungslage kann mittlerweile als (nahezu) unbestritten gelten, dass insbesondere durch Menschen verursachte Traumatisierungen in der (frühen) Kindheit Auswirkungen auf die weitere Entwicklung (bis ins hohe Erwachsenenalter) haben, die fast das gesamte Spektrum an psychischen Erkrankungen umfassen können. — Es kann also davon ausgegangen werden, dass Kinder und Jugendliche zuerst Probleme haben, bevor sie selbst Probleme machen. Gleichzeit wurde der Wahrnehmung und klinischen Bedeutung emotionaler Misshandlung und Vernachlässigung z.B. in der ärztlichen Kinderschutzdebatte bisher zu wenig Beachtung geschenkt.
Kinder, die traumatische Erfahrungen machen mussten, haben oft wenig Kapazität für kognitive Lernprozesse. Vielen Anforderungen, die in Kindergarten und Schule an sie gerichtet werden, können sie nicht gerecht werden. Sie stellen daher im pädagogischen Alltag eine besondere Herausforderung dar. Entscheidend ist dabei, dass die vermeintlich negativen Verhaltensweisen, die betroffene Kinder und Jugendliche zeigen, nicht durch „herkömmliche pädagogische Maßnahmen“, wie z.B. Belohnungen und/oder Sanktionen, verschwinden; im Gegenteil oft verstärken sich die Verhaltensweisen durch „konventionelle Ansätze“ mehr und mehr und führen pädagogische Fachkräfte über ihre Belastungsgrenze hinaus.
Nicht zuletzt durch die Corona-Krise und die großen Einwanderungswellen in den vergangenen Jahren ist das Thema Trauma immer mehr in den Fokus sozialpädagogischer Betrachtung gerückt. So erklärte die Deutsche UNESCO- Kommission bereits 2019, dass in Deutschland etwa jedes fünfte Kind mit Fluchterfahrungen unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leide, jedoch gleichzeitig Lehrkräfte an Schulen nicht ausreichend auf die speziellen Bedürfnisse dieser Kinder und Jugendlichen vorbereitet sind.